BGH v. 30.1.2024 - X ZR 135/22

Luftfahrtunternehmen müssen bei Unterrichtung über Annullierung ein zielgerichtetes Tätigwerden nachweisen

Eine Unterrichtung über die Annullierung i.S.v. Art. 5 Abs. 1 Buchst. c Nr. i FluggastrechteVO setzt ein zielgerichtetes Tätigwerden des Luftfahrtunternehmens voraus. Eine Information über geänderte Flugzeiten, die dem Fluggast auf andere Weise oder von dritter Seite zugeht, kann allenfalls dann ausreichen, wenn sie hinreichend deutlich erkennen lässt, dass sie vom ausführenden Luftfahrtunternehmen stammt und dass dieses den gebuchten Flug nicht wie vorgesehen durchführen will.

Der Sachverhalt:
Die Kläger hatten als Gruppe an einer Pauschalreise teilgenommen. Für die Rückreise verfügten sie über eine bestätigte Buchung für einen von der Beklagten durchzuführenden Flug am 14.9.2019 von Burgas in Bulgarien nach Köln/Bonn mit Abflug um 23:55 Uhr. Die Abflugzeit wurde später auf 4:30 Uhr vorverlegt. Der Kläger zu 1) reservierte am 18.8.2019 für alle Kläger Sitzplätze. Dabei erfuhr er von der geänderten Abflugzeit. Er unterrichtete die anderen Kläger hierüber, woraufhin diese eine Ausgleichszahlung i.H.v. 400 pro Kläger gerichtlich geltend machten.

Das AG hat die Klage abgewiesen. Das LG hat die Beklagte im Berufungsverfahren nach Abzug eines vom Pauschalreiseveranstalter gezahlten Betrags zur Zahlung von 328,60 € pro Kläger verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten blieb vor dem BGH erfolglos.

Gründe:
Die Kläger haben einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung gem. Art. 5 Abs. 1 Buchst. c und Art. 7 Abs. 1 Buchst. b FluggastrechteVO.

Die Vorverlegung eines Fluges - wie hier - um mehr als eine Stunde ist nach EuGH-Rechtsprechung als Annullierung i.S.d. Verordnung anzusehen (EuGH, Urt. v. 9.12.2021 - C-146/20 u.a.; Urt. v. 21.12.2021 - C-263/20). Danach obliegt es dem Luftfahrtunternehmen, die nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c Nr. i FluggastrechteVO erforderlichen Informationen an den Fluggast zu übermitteln. Dies gilt auch dann, wenn der Beförderungsvertrag über einen Dritten geschlossen wurde. Auch in solchen Konstellationen wird der bei einem Verstoß gegen die Verpflichtungen aus der Verordnung zu leistende Ausgleich allein vom ausführenden Luftfahrtunternehmen geschuldet.

Die Beklagte war von ihrer Verpflichtung nicht gem. Art. 5 Abs. 1 Buchst. c Nr. i FluggastrechteVO freigeworden. Eine Unterrichtung über die Annullierung i.S.v. Art. 5 Abs. 1 Buchst. c Nr. i FluggastrechteVO setzt ein zielgerichtetes Tätigwerden des Luftfahrtunternehmens voraus. Eine Information über geänderte Flugzeiten, die dem Fluggast auf andere Weise oder von dritter Seite zugeht, kann allenfalls dann ausreichen, wenn sie hinreichend deutlich erkennen lässt, dass sie vom ausführenden Luftfahrtunternehmen stammt und dass dieses den gebuchten Flug nicht wie vorgesehen durchführen will. Daraus ist zu entnehmen, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen dafür Sorge tragen muss, dass die erforderlichen Informationen den Fluggast erreichen.

Die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte keine aktive Unterrichtung der Kläger über die geänderten Flugzeiten durch die Pauschalreiseveranstalterin bewiesen hatte, war aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die Mitteilung der geänderten Flugzeiten an den Pauschalreiseveranstalter hat es zu Recht als nicht ausreichend angesehen. Dass die Kläger den Veranstalter zur Entgegennahme solcher Informationen ermächtigt hätten, war nicht festgestellt worden. Die Beweislast für eine rechtzeitige und ausreichende Information liegt nach Art. 5 Abs. 4 FluggastrechteVO beim Luftfahrtunternehmen.

Mehr zum Thema:

Aufsatz:
Die Entwicklung des Reiserechts der Luftbeförderung einschließlich der EU-Fluggastrechte-VO im Jahr 2022
Charlotte Achilles-Pujol, MDR 2023, 1023

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 07.05.2024 15:14
Quelle: BGH online

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