Aktuell in der VersR

Der Wettlauf der Erben gegen den bezugsberechtigten Dritten in Lebensversicherungsverträgen – Immerwährender Bonifatius (von Riegen/Barduhn, VersR 2024, 610)

Rechtliche Fragestellungen im Zusammenhang mit Verträgen, an denen Dritte beteiligt werden, sind mehrdimensional und komplex. Eine solche Komplexität offenbart sich auch bei Lebensversicherungsverträgen. Dieser Beitrag soll aufzeigen, welche Möglichkeiten die Erben haben, um den endgültigen Erwerb der Versicherungsleistung beim bezugsberechtigten Dritten zu verhindern. Es sollen insbesondere Missverständnisse ausgeräumt werden, die sich in der Literatur verbreitet haben.


I. Relevante Lebensversicherungsverträge

Im Zentrum dieses Beitrags stehen all jene Lebensversicherungen, bei denen den Versicherungsbedingungen nach (grundsätzlich) der Todesfall des VN dazu führt, dass für den bezugsbezugsberechtigten Dritten ein Anspruch auf Auszahlung der Versicherungssumme besteht.

II. Einsetzung eines bezugsberechtigten Dritten im Lebensversicherungsvertrag auf den Todesfall

Der VN einer Lebensversicherung ist berechtigt, einen sog. bezugsberechtigten Dritten zu bestimmen, der im Versicherungsfall die Versicherungssumme verlangen kann (vgl. § 159 VVG). Bei der Einsetzung des Dritten als Bezugsberechtigten handelt es sich um einen Vertrag zugunsten Dritter, so dass die Regelungen der §§ 328 ff. BGB anwendbar sind, die durch die Regelungen in § 159 VVG ergänzt werden. Das Bezugsrecht gibt dem Dritten das Recht, im Versicherungsfall – bei den in diesem Beitrag betrachteten Fällen dem Todesfall – einen unmittelbaren Anspruch auf die Versicherungsleistung gegenüber dem Versicherer geltend zu machen (§ 331 Abs. 1 BGB). Der VN begründet das Bezugsrecht durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber dem Versicherer, die bloß des Zugangs und grundsätzlich nicht der Annahme oder Bestätigung durch den Versicherer bedarf. Genauso wenig bedarf es einer Mitwirkung des als Bezugsberechtigten eingesetzten Dritten (vgl. § 333 BGB). Die Einsetzung erfolgt häufig ohne Kenntnis des bezugsberechtigten Dritten. Dies kann Probleme provozieren, die sich ergeben, wenn die Erben die Versicherungssumme nach Eintritt des Todesfalls begehren, obwohl ein abweichender bezugsberechtigter Dritter bestimmt ist. Dieser Problematik wird sich in diesem Beitrag gewidmet. Bei der Bezeichnung eines bezugsberechtigten Dritten ist zwischen der widerruflichen (§ 159 Abs. 2 VVG) und unwiderruflichen Bezeichnung (§ 159 Abs. 3 VVG) zu unterscheiden:

1. Widerrufliche Bezeichnung

Ist der bezugsberechtigte Dritte widerruflich für den Todesfall eingesetzt, erwirbt er bis zum Eintritt des Todesfalls und damit des Versicherungsfalls noch kein gesichertes Recht aus dem Versicherungsvertrag gegen den Versicherer, sondern eine bloße Erwerbschance. Der VN kann den als im Todesfall bezugsberechtigten Dritten jederzeit gegenüber dem Versicherer ändern. Dies ist insbesondere durch testamentarische Verfügung möglich (vgl. § 332 BGB), wenn kein Ausschluss im Versicherungsvertrag vereinbart ist. Erst mit Eintritt des Versicherungsfalls erstarkt seine bloße Hoffnung auf die Versicherungssumme zu einem unmittelbaren Anspruch gegen den Versicherer. Deswegen endet auch mit Eintritt des Versicherungsfalls die Widerruflichkeit der Einsetzung des Dritten. Die Bezugsberechtigung wird unwiderruflich und unentziehbar.

2. Unwiderrufliche Bezeichnung

Verzichtet der VN im Versicherungsvertrag auf die Widerruflichkeit der Einsetzung des Dritten als Bezugsberechtigter, erwirbt der Dritte das Bezugsrecht sofort mit der wirksamen Einsetzung und damit unabhängig vom Eintritt des Versicherungsfalls. Damit liegt eine sog. unwiderrufliche Bezugsberechtigung vor. Die Bezugsberechtigung des Dritten wird im Moment ihrer Entstehung unwiderruflich und unentziehbar. Insoweit wird auch von einer dinglichen Wirkung der Einsetzung gesprochen. Wo bereits eine Änderung und ein Widerruf durch den VN nicht möglich sind, gilt (...)
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 02.05.2024 10:22
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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