BGH v. 21.3.2024 - I ZR 185/22

Sukzessive Doppelbeauftragung des Maklers

§ 656c Abs. 1 Satz 1 BGB gestattet die sukzessive Doppelbeauftragung des Maklers in der Weise, dass zunächst mit einer Partei des Hauptvertrags eine Provision in Höhe der Hälfte der intendierten Gesamtprovision vereinbart wird und anschließend mit der anderen Partei eine Provision in Höhe der restlichen Hälfte. Im Anwendungsbereich des § 656c BGB ist der Makler gegenüber dem Kunden nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verpflichtet, über alle Umstände Auskunft zu erteilen, die für die Entstehung und das Fortbestehen des Provisionsanspruchs von Bedeutung sind. Dem Maklerkunden kann im Falle der von § 656c BGB regulierten Doppeltätigkeit des Maklers diesem gegenüber gem. § 810 Fall 2 BGB ein Anspruch auf Vorlage des mit dem anderen Maklerkunden abgeschlossenen Maklervertrags zustehen.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin, ein Maklerunternehmen, erhielt im Juli 2020 vom Verkäufer einen Verkaufsauftrag für eine Doppelhaushälfte. Sie erstellte ein Exposé, welches einen Hinweis auf die jeweils vom Verkäufer und Käufer zu zahlende Maklercourtage i.H.v. 3,57 % des Verkaufspreises enthielt.

Am 10.2.2021 schlossen der Beklagte und die Klägerin einen Kaufinteressent-/Maklervertrag, in dem die Provision für den Erwerbsfall mit 3,57 % festgelegt wurde und der in seinen AGB den Hinweis auf die Zulässigkeit einer Doppelmaklertätigkeit enthielt. Am 12.3.2021 erwarb der Beklagte von den Mitgliedern einer Erbengemeinschaft als Verkäufer die Immobilie zu einem Kaufpreis von 1,28 Mio. €. Am 19.4.2021 stellte die Klägerin dem Beklagten eine Rechnung i.H.v. rd. 46.000 € für den Nachweis bzw. die Vermittlung der Gelegenheit zum Abschluss des Immobilienkaufvertrags. Der Beklagte verweigerte die Zahlung.

Der Beklagte forderte die Klägerin per E-Mail auf, ihm nachzuweisen, dass alle die Klägerin betreffenden Vorschriften nach §§ 656a, 656b, 656c und 656d BGB erfüllt seien und forderte mit mehreren anwaltlichen Schreiben eine Offenlegung des Maklervertrags mit der Verkäuferseite. Eine solche Offenlegung erfolgte nicht. Die Klägerin teilte dem Beklagten mit Schreiben vom 7.7.2021 das Datum des Abschlusses des Maklervertrags mit der Verkäuferseite, Provisionssatz, Rechnungsstellung und Geldeingang ohne Vorlage der entsprechenden Unterlagen mit.

Das LG wies die auf Zahlung von Maklerprovision i.H.v. rd. 46.000 € nebst Zinsen gerichtete Klage mangels Erfüllung der Urkundenvorlagepflicht durch die Klägerin als unbegründet ab. Das OLG gab der Klage statt und verurteilte den Beklagten zur Zahlung der Provision nebst Zinsen. Auf die Revision des Beklagten hob der BGH das Urteil des OLG auf und wies die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des LG zurück.

Die Gründe:
Sofern sich die Klägerin - wie diese geltend macht - zunächst vom Verkäufer eine Provision in Höhe der Hälfte der intendierten Gesamtprovision von 7,14 % des Verkaufspreises, also 3,57 %, hat versprechen lassen und sodann von dem Beklagten eine Provision in Höhe der restlichen 3,57 %, steht dies der Wirksamkeit des mit dem Beklagten geschlossenen Maklervertrags unter dem Gesichtspunkt des § 656c Abs. 2 i.V.m. § 656c Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB nicht entgegen. Der Provisionsanspruch der Klägerin ist auch nicht wegen Verstoßes gegen § 656c Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 654 BGB verwirkt. Dem Beklagten steht jedoch gegen den etwaigen Provisionsanspruch der Klägerin ein zur Abweisung der Klage führendes Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 Abs. 1 BGB zu.

Die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien verstoßen nicht gegen § 656c Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Klägerin macht geltend, sie habe sich von beiden Parteien einen Maklerlohn in gleicher Höhe, nämlich i.H.v. 3,57 % des Verkaufspreises versprechen lassen. § 656c BGB erlaubt es im Falle der sukzessiven Doppelbeauftragung des Maklers, zunächst mit einer Partei des Hauptvertrags eine Provision in Höhe der Hälfte der intendierten Gesamtprovision zu vereinbaren und anschließend mit der anderen Partei eine Provision in Höhe der restlichen Hälfte. Die teilweise vertretene Auffassung, wonach es unzulässig sei, dass sich der Makler vom zweiten Vertragspartner nochmals eine Provision in gleicher Höhe versprechen lasse, weil dies dem Halbteilungsgrundsatz zuwider eine Provisionsverdoppelung bewirke, verfängt nicht. Eine Deckelung der Höhe der Maklerprovision hat der Gesetzgeber in § 656c BGB nicht vorgesehen. Die Höhe der Gesamtprovision ist vielmehr der Vertragsfreiheit der Beteiligten überlassen. Einer unangemessenen Überhöhung der Provision kann dadurch entgegengewirkt werden, dass bei der Beurteilung der Angemessenheit nach § 655 BGB oder der Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 2 BGB die Gesamtprovision in den Blick genommen wird.

Dem Beklagten steht gegen den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Maklerlohn ein Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 Abs. 1 BGB zu. Zwar ist der dem Beklagten gem. § 242 BGB zustehende Auskunftsanspruch durch Erfüllung untergegangen. Der Beklagte hat jedoch darüber hinaus gem. § 810 BGB Anspruch auf Vorlage des vom Kläger mit dem Verkäufer abgeschlossenen Maklervertrags. Im Anwendungsbereich des § 656c BGB ist der Makler gegenüber dem Kunden nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verpflichtet, über alle Umstände Auskunft zu erteilen, die für die Entstehung und das Fortbestehen des Provisionsanspruchs von Bedeutung sind. Dem Maklerkunden kann im Falle der von § 656c BGB regulierten Doppeltätigkeit des Maklers diesem gegenüber gem. § 810 Fall 2 BGB ein Anspruch auf Vorlage des mit dem anderen Maklerkunden abgeschlossenen Maklervertrags zustehen.

Besteht zwischen dem mit der Klage geltend gemachten Anspruch und dem im Wege der Einrede erhobenen Gegenanspruch ein Abhängigkeitsverhältnis dergestalt, dass der Gegenanspruch der Überprüfung des mit der Klage verfolgten Anspruchs dient, führt die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts gem. § 273 BGB ausnahmsweise nicht zu einer Verurteilung des Beklagten zur Leistung gegen Empfang der ihm gebührenden Leistung (Erfüllung Zug um Zug) gem. § 274 BGB, sondern zur Abweisung der Zahlungsklage. So verhält es sich, wenn im Falle einer von § 656c BGB regulierten Doppeltätigkeit des Maklers der vom Makler auf Zahlung von Maklerprovision in Anspruch genommene Maklerkunde der Klage einen ihm gem. § 810 Fall 2 BGB zustehenden Anspruch auf Vorlage des mit der anderen Partei des Kaufvertrags abgeschlossenen Maklervertrags entgegenhält.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 15.04.2024 12:17
Quelle: BGH online

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